Das Leben ist wie ein Purzelbaum

12.10.2022

Lange habe ich nach einer Metapher gesucht, wie ich die letzen 6 Wochen beschreiben kann. Dann ist mir folgende Situation eingefallen: Als Kind habe ich mich hin und wieder mal super gerne im Purzelbaum auf kleinen Hügeln runterrollen lassen. Vielleicht kennst du das ja. Hierbei weißt du eigentlich nur, dass du jetzt ansetzt, um dich in deinen ersten Purzelbaum hinein rollen zu lassen. Wo du genau ankommst, ob du eventuell mit den anderen Kindern zusammenstößt und ob du dich ja rechtzeitig aus dem Rollen retten kannst, um nicht auf den nächsten naheliegenden Busch mit viel zu hoher Geschwindigkeit zuzusteuern, weißt du allerdings nie so genau.

Gerade zu Beginn wusste ich überhaupt nicht, wo ich landen werde, was die Zeit für mich so bereithält. Genau zu planen, wo genau ich denn NACH dem Purzelbaum ankomme, während ich immer noch da oben auf dem Hügel stehe, ist beinahe unmöglich. Und will ich das überhaupt?

Ist nicht mit das Schönste an der ganzen Erfahrung, dass ich mich in vollstem Vertrauen einfach meinem Purzelbaum hingeben kann? Dass mögliche Kollisionen tolle Bekannt- und Freundschaften hervorrufen, ich mich dem Moment einfach hingebe, annehme und darauf vertraue, dass alles irgendwie schon zusammenpasst? Denn eins ist sicher - ich komme auf jeden Fall irgendwo wieder an! :)

Doch knüpfen wir einmal dort an, wo wir letztes Mal verweilten:

Nachdem der Spanischkurs wie im Flug vorüber war, kam der spannende Punkt - wir lernten unsere Projekte kennen! Der Start in mein Projekt begann jedoch ziemlich holprig. Ich hatte nicht wirklich das Gefühl Willkommen zu sein, ich war den Großteil des Tages mit Putzen beschäftigt, hatte keinerlei Kontakt zu den Kindern (außer als ich Essen ausgegeben hatte) und habe mich nicht wirklich gewollt und aufgenommen gefühlt. Nach kurzer Zeit habe ich mich mit Imelda (Chefin der Partnerorganisation) in Verbindung gesetzt und sie suchte daraufhin das Gespräch mit der Leitung meines Projektes. Schnell wurde klar: Es gab einen Administrationswechsel, welcher nicht an Imelda weitergeleitet wurde. Die neue Leitung wurde zwar über meine Ankunft informiert, mit meinen Aufgaben, welche im Voraus schon besprochen und schriftlich vereinbart wurden, war sie allerdings nicht einverstanden und im Großen und Ganzen nicht erfreut, eine Freiwillige für ein Jahr in die Einrichtung aufzunehmen. Wenige Tage später stand dann auch fest, dass ich mein Projekt wechseln muss. Informationen über mein neues Projekt kommen im Laufe der nächsten Zeit.

Schön war das definitiv nicht, so viel kann ich dazu sagen. Zu Beginn ist es mir schwer gefallen, in dieser Situation das Gute zu sehen. Den Großteil meiner Zeit habe ich in dem Projekt verbracht und schnell habe ich festgestellt, dass sich dies sehr negativ auf mein Gemüt auswirkte. Doch es gibt so gut wie in jeder Situation etwas Positives, denn: Diana (meine Gastmama) wurde aufgrund der Entfernung zu meinem Projekt ausgewählt. Nur ein 20-minütiger Spaziergang lag zwischen meinem Zuhause und meiner Projektstelle. Das ist/war wirklich PREMIUM :)

Und jetzt ein kurzer Perspektivenwechsel: Wäre ich nicht zuerst in dem Projekt gewesen, welches nicht gut gelaufen ist, hätte ich auch Diana nicht kennengelernt ;)

Das Fazit lautet: Es ist okay :) Manchmal laufen die Dinge nicht so, wie man es sich wünscht, erhofft oder erwartet und das ist völlig in Ordnung. Momentan wachse ich sehr am Annehmen der Momente. Das soll nicht bedeuten, dass ich alles Schlechte aussitze.. Nein, nein. Das bedeutet jediglich, dass ich mich der Zeit und den gegebenen Situationen hingebe und dies als einen Teil des Gesamtprozesses sehe.

Ich befinde mich weiterhin im Prozess der Anpassung, des Ankommens und jeden Tag passiert etwas Neues. Dass ich bestimmte Wege verinnerliche, mich langsam immer mehr in dieser großen Stadt auskenne und alleine zurechtkomme macht mich glücklich, gibt mir Sicherheit und das Gefühl, immer mehr anzukommen :)

Am Wochenende waren wir Freiwilligen mit ein paar Mentoren in San Bartolo. Ein kleines Dorf, in der Nähe von Tehuacan, in welchem wir das erste Mal eine "fiesta de quince años" miterleben durften. Als wir in das Dorf reingefahren sind und die Vorbereitungen bereits in Hochturen liefen, betraten wir "eine andere Welt": Das Mädchen, dessen 15. Geburtstag mit dem gesamten Dorf zelebriert wurde, ist in einem mächtigen Kleid, auf einem tiefschwarzen Pferd zur Kirche geritten. Begleitet wurde dieser fast schon majestätischer Auftritt mit einer Gruppe von Musikanten und zuletzt von Männern auf ihren Pferden. So richtig mit Sombrero, Cowboystiefeln und allem was dazugehört :) Nach dem Kirchgang sind wir gemeinsam zur Location des Abends gelaufen. Die Aufmerksamkeit ziehen wir hier generell sehr schnell auf uns, da das Aussehen eben das Erste ist, was einem auffällt. Besonders in diesem Dorf waren wir wie eine kleine Attraktion. Zuerst hat man (wie fast immer) gedacht, wir kommen aus der USA :') Zwei Männer hatten mich gefragt, ob sie mit mir ein Foto schießen können.  Wir wurden von sehr vielen Männern jeglichen Altersklassen zum Tanzen aufgefordert und uns wurde sogar angeboten, auf den Pferden ein bisschen zu reiten. Obwohl ich totale Angst vor Pferden habe/hatte, konnte ich den Moment genießen. Nach gewisser Zeit ging der Typ, der mich da raufgesetzt und ein paar Runden herumgeführt hatte, einfach weg und ich stand dort mit dem Pferd. Kurz daraufhin kam ein älterer Mann zu mir und zeigte mir, wie ich das Pferd führe. Ich war ganz schön stolz muss ich sagen, als ich alleine auf einem Pferd über den Platz stolziert bin. GLÜCKSMOMENTE ❤️

Am späteren Abend habe ich zum ersten Mal Rodeo miterlebt. Ich stand also vor dem Zaun mit allen anderen Gästen des Abends, die darauf warteten, einen Menschen auf einem Stier zu sehen, der mit seinem Leben spielt. Denn ungefährlich ist das ganz und garnicht. Als sich dann die Box mit dem Stier samt Mensch oben drauf zum ersten Mal öffnete, traf mich richtig der Schock. Innerhalb von wenigen Sekunden lag der Mann auf dem Boden, der Stier ist wild umher gerannt und wurde von 3 weiteren Männern eingefangen. Alles ging so schnell. Menschen klatschten. Ich war schockiert und stand mit meinem offenen Mund da. So schnell der "alte" Stier abgeführt wurde, war auch schon der Nächste in der Box. Zweite Runde. Ich stand da, war mir nicht ganz sicher, ob ich das ein weiteres Mal sehen möchte. Die Eindrücke lagen mit ehrlich gesagt tief in den Knochen. Da stand ich nun. Zwischen Tierwohl und Attraktion. Zwischen Leben und Tod. Und trotzdem war es irgendwie sehr fesselnd, dort hinzuschauen. Dieser Abend war sehr ereignisreich und voller Traditionen. Am Morgen hatte die Familie von dem Mentor, bei dem wir netterweise schlafen durften, für uns Frühstück vorbereitet. Atole, Pan de burro (ein typisches brotartiges Gebäck aus der Region Tehuacan), Memelitas und Quesadillas haben mein Herz höher schlagen lassen und mich gut für den Ausflug gestärkt. Für uns ging es, stehend auf der Ladefläche eines alten Trucks, in die wunderbare Natur. Das erste Mal die gutriechende Luft einzuatmen, ein Gefühl der Ruhe und unfassbaren Freiheit zu verspüren und währenddessen mit dem Wind zu kämpfen, der einem bei 50km/h stehend auf der Ladefläche entgegenkam, hat mich unfassbar glücklich gemacht! Wir haben die Natur genossen, sind auf einen kleinen Berg gestiegen und haben diese Momente in vollem Umfang aufgesaugt und Kraft getankt. :)

Phoebe Oberacker - Freiwilligendienst
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